Gedichte gegen das Alltagsgrau...

Monat: März 2010 (Seite 1 von 3)

Götter

„Wer bin ich, und wenn ja wieviele?“
befragte sich die Bodendiele.
„Die Welt ist flach und estrichfarben,
ich muss auf ihr als Trittbrett darben.“

Ein Wischmopp kam und sah die Dielen:
erstaunt, ob sie vom Himmel fielen.
„Ich denke, also wisch ich!“ sagte
der Mopp, als er sich mühsam plagte.

Die Bodenplanke wieder glaubte,
dass da ein Gott ihr Sein entstaubte.
Der Besen blickte auf zur Lampe,
und schrie: „Du blöde Götterschlampe!“

„Ich sing dir keine Liebesoden.
Die Welt ist Scheiße und der Boden,
auf dem ich gehe, ist ne doofe,
verschmutzte Riesenkatastrophe!“

Die Putzfrau schwang den schnöden Wedel,
und fand die Bretter wirklich edel.
Ihr Gott war keine hehre Flause:
er saß beim Bier im Ripp zuhause.

Die Welt besteht, das scheint bewiesen,
aus Estrich, oder Bodenfliesen,
doch Götter sind, wie hier zu lesen,
wohl eher relative Wesen.

Abschiedsbrief

Mutter,
wo hast Du mich unter Schmerzen hingeboren,
in welche Vorhofhölle, welches Land der Qual,
warum hast Du mich in dies Nichts im Nichts verloren,
in dieses Dasein abseits jeglicher Moral?

Mutter,
hast Du wirklich nichts geahnt von diesen Kriegen,
von dieser Mordlust, die uns wütend überstürmt,
von Menschlichkeit, die sich verneint in schalen Siegen,
und sich entfremdet in den Leichenhaufen türmt.

Mutter,
zitternd krampfe ich mit Wiederkinderhänden
den letzten Brief auf einen feuchten Rest Papier,
hab auch für dich gekämpft in diesem Blutverschwenden,
Du warst mein Anfang, doch am Ende fehlst Du mir.

Hoffnungsscheite

Ich sah in dir die Hoffnungsscheite,
das letzte Zündholz und die sommerwarme Nacht.
Doch erst, als ich mich von dem Bild,
und dich von seiner Last befreite,
hast Du mit mir das Feuer unsres Glücks entfacht.

Kleine Weisheit

Nicht alles, das auf Anhieb geht,
ist ganz des Leichtsinns unverdächtig,
oft zeigt ein Schweigen sich beredt,
sind Angst und Zweifel übermächtig.

Geht alles scheinbar wie geschmiert,
nimm dir doch Zeit, es zu betrachten,
mit etwas Abstand reflektiert,
lässt sich manch böser Geist entmachten.

Beizeit ein kleiner Schritt zurück,
heißt trotzdem hin zum Ziel zu streben,
denn ohne einen klaren Blick
zielt man zwar gut, doch oft daneben.

Liebeshain

Im Tau des Morgens atmet still,
mein duftend grüner Liebeshain,
den ich so gern durchwandern will,
im frühjahrswarmen Sonnenschein.

Das Antlitz sanft, im Herzen wild,
so lädt er zum Spaziergang ein.
Ich steh vor diesem Zauberbild,
vor Ehrfurcht stumm am Feldesrain.

Wohlan, ich will der Erste sein,
und wünsche mir dies Traumidyll,
als Ort der Kraft für mich allein,
an dem ich meine Lungen füll.

Morgendusche

Kann man sich Blicke so vom Körper spülen
wie kleine Schmutzpartikel, oder frischen Schweiß,
die Feuerhaut mit heißem Wasser kühlen,
nach Küssen wie Magnesium im Trockeneis?

Fast spür ich deine feinen Speichelspuren
von meinem Körper rinnen, seh auf meinem Bauch,
wie sich im Spiegelbild der Armaturen,
die Seife mischt mit deinem zarten Atemhauch.

Nun wasche ich den Abdruck deiner Lippen
aus all dem Neuland. War es nur ein schöner Traum,
von deiner Zunge, die von meinen Klippen,
den Weg sich bahnte hoch zu meinem Lebensbaum?

Ich atme Schwüle aus den Wassertropfen,
bin wieder ganz und gar von neuer Lust beseelt,
Minuten später höre ich dein Klopfen,
mir scheint, Du hast mir länger als ein Jahr gefehlt.

Mein Gott!

Eimerweise schüttest Du mir Flausen
direkt hinter den Rand der Großhirnrinde.
Im Mandelkern, wo die Gefühle hausen,
spür ich ein gnadenloses Schraubgewinde

fast schon bergbautunnelgroße Löcher bohren,
um Kanülen vom Fassungsvermögen
einer Pipeline bis in meine heißen Ohren
zu verlegen, nur damit die Regenbögen

in meinem Kopf mit der richtigen Feuchte
versorgt werden können, die sie neben
etwas Licht benötigen – aus der Leuchte,
die Du ganz still und beiläufig soeben

dem liebestollen Schalk in meinem Nacken
implantiertest. Der hat vielleicht gezappelt,
weil Du ihm, (er ist so schlecht zu packen),
eins verbraten hast. Das hat im Kopf gerappelt,

als würde ein Güterzug hindurchrasen.
Jetzt sitz ich hier und spüre deine Zungenspitze
auf meinem Bauch im Licht der Lampe grasen,
die dem Nackenkobold durch die rote Mütze

leuchtet, wie ein Pufflicht. Ich denke an Bordelle,
lächle auf eine verträumte Art lüstern-träge,
weil man man da Sex ohne Gefühle auf die Schnelle
kriegt, ohne dass deine Zunge, der Stichsäge,

ähnlich, liebestoll in meine weiche Bauchhaut dringen
will, und einen Krater schneidet um den Nabel,
wie ein Eifelmaar. Willst Du mich um die Ecke bringen?
Und… mein Gott! Was machst du mit dem Starkstromkabel???

Himmelsspuk

„Hoffnung“ steht in großen Lettern
auf die Wolken projiziert.
Alle die sonst irdisch wettern
schauen ziemlich irritiert.

„Wohin führen Urvertrauen
und der Glaube in der Welt?
Narren sind’s, die darauf bauen!
Was ein Quatsch am Himmelszelt!“

So stehn sie mit hochgereckten
Köpfen und schaun trotzig drein,
denn die Welt, wie sie entdeckten,
schien zu wahr, um schön zu sein.

„Niemals ist die Zukunft offen!
Ob das Leben glücklich stimmt?
So ein Mist! Wir wollen hoffen,
dass der Spuk sein Ende nimmt!“

Solidarität

Letztens fiel, beflissen mauernd,
Fritz der Maurer hoch vom Haus,
unten räumt, fast schon bedauernd,
Stefan dessen Hosen aus.

Manni singt nach Leibeskräften,
mimt im Kirchenchor den Pfau,
doch hausiert mit seinen Säften
oft und gern bei Fritzes Frau.

Nachts rammt Willi sturzbetrunken,
Fritzes neuen PKW,
flüchtet ohne einen Funken
Reue mit dem Sportcoupe.

Paul, (Abteilung für Kredite),
kündigt Fritzes Hypothek,
leiht ihm stolz die erste Miete,
sieht’s als echtes Privileg.

Alle stehn im Krankenzimmer,
tröstend, doch voll Hinterlist,
und beschwören, das schon immer
Männerfreundschaft wichtig ist.

Leberlaus

Kosmisch und global betrachtet
ist der Mensch bakteriell,
winzig klein und tief umnachtet,
stirbt er dumm und viel zu schnell.

Aus des Weltalls kühler Ferne,
ist der Mensch ein Riesenzwerg,
dilettiert im Licht der Sterne,
nennt das stolz sein Lebenswerk.

Von der Sonnenoberfläche,
sieht der Mensch so putzig aus,
eine Ausgeburt der Schwäche,
eine Weltall-Leberlaus.

Doch er hält sich für die Krönung
aller Schöpfung, hat nur Spott,
für die Götter – welche Höhnung –
glaubt, er sei schon selbst ein Gott.

Schlägt jedoch die letzte Stunde,
naht das Ende seiner Uhr,
hört man leis aus seinem Munde:
„Ach, welch Würmchen bin ich nur.“

Stillleben

Aus dem Tisch ragt gravitätisch,
deine Tasse, weiß wie Schnee,
stolz und seltsam majestätisch:
ein Vulkan voll Milchkaffee.

Links daneben ruht dein Teller,
wie ein Porzellangewässer,
darauf, fast wie ein Propeller,
liegt dein Marmeladenmesser.

Milch ist auf den Tisch geflossen,
Krümel treiben in der Pfütze,
so wie schwarze Sommersprossen,
aus der Wurzel der Lakritze.

Alles scheint auf dich zu weisen,
alles spricht nur einen Satz:
„Halte sie, lass sie nicht reisen!
Hier am Tisch, da ist ihr Platz.“

Klischee

Diese stete Selbstkontrolle,
dieser Hang zur sturen Pflicht,
dieses sprachlich Salbungsvolle,
dieses Streben hoch zum Licht,

dieser Spaß am Aufmarschieren,
diese harte Akribie,
diese Lust am Füsilieren,
dieses Lob der Infantrie,

diese Last am faustisch Schweren,
dieser völkisch blinde Stolz,
diese Pflicht zum Tellerleeren,
dieses Glück in Eichenholz,

dieser Mut zum tiefen Denken,
diese Pracht im Dichterwort,
dieser Drang zum Weltenlenken,
dieser Fluch im Völkermord,

diese Neugier auf das Fremde,
diese Angst vor ebendem,
dieser Arbeitsschweiß im Hemde,
dies Zerreden beim Problem,

dies Vermassen in Tumulten,
diese Freude am Verein,
dies Dozieren von den Pulten –
„deutsch“ heißt ein Klischee zu sein…

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