Gedichte gegen das Alltagsgrau...

Kategorie: Philosophisches (Seite 2 von 2)

Diogenes

Ein Philosoph in alter Zeit,
der lebte in der Tonne,
war ohne Gier und ohne Neid,
und döste in der Sonne.

Von jenem schieren Sonderling,
da hören wir Geschichten,
dass er zumeist zum Marktplatz ging,
die Notdurft zu verrichten.

Dort legte er auch Hand an sich,
um seiner Lust zu frönen,
und fand das jemand widerlich
dann hörte man ihn höhnen.

Bei Tag nahm er Laternenlicht,
und wollte es begründen,
so sinnlos sei die Lampe nicht
will man den Menschen finden.

Gefragt nach seiner Heimatstadt,
wohin die Götter ihn gestellt,
sprach er, was sehr verwundert hat
“Ich bin ein Bürger dieser Welt.”

Er sah mal wen mit hohler Hand,
am kühlen Bach sich laben,
warf seinen Becher in den Sand
und wollt ihn nicht mehr haben.

“Wie solln wir Dich begraben?”
hat man ihn einst gefragt.
„Kein Grabmal will ich haben”,
hat er darauf gesagt.

“Dort wo ich sterbe lasst mich sein
Ihr müsst mich nicht bedecken
zum Schutz vor Tieren mein Gebein
will ich nur einen Stecken.”

“Was willst Du mit dem Stecken, Narr?
Du kannst ihn tot nicht führen” –
“So werd ich” sprach der Weise da,
“auch ihren Biss nicht spüren.”

Ein großer Herrscher wollte gern
des Weisen Gier entfachen
drauf bat er still und leis den Herrn
ihm Platz im Licht zu machen.

Diogenes mag Beispiel sein
von alters her, in alle Zeit,
es braucht nicht viel zum Glücklichsein
übt man sich in Genügsamkeit.

Tractatus Logico Philosophicus

Was ist, das ist, das kann man letzlich auch beschreiben
da ist kein Sein des Seins im Schein hinter dem Sein,
was nicht zu denken ist, soll unaussprechbar bleiben
die Welt sei klar und wahr, sagt Ludwig Wittgenstein

Das Nichts als Ding gehört ins Zauberreich der Fabel
ein Paradox, abstrus, zudem im höchsten Grad naiv,
noch nicht mal eine allseits gültige Vokabel
das Nichts ist nichts – und außerdem kein Substantiv.

Was man nicht sagen kann, darüber muss man schweigen,
auch wenn manch kluger Denker hart argumentiert,
wenn Worte wortreich, scheinschlau auf Chimären zeigen,
hat man sich metaphysisch klar verspekuliert.

Hat man den Gipfel alles Denkbaren erklommen,
wirft man die Leiter, die man hergenommen hat,
um hoch zum Maximum des Sagbaren zu kommen
bald fort, im logisch philosophischen Traktat.

Der Philanthrop

Es war einmal ein Philanthrop,
der kaufte sich ein Stethoskop,
das Herz des Menschen zu ergründen
und dessen guten Kern zu finden.

Doch er sah schnell und schmerzlich ein,
es reicht nicht Philanthrop zu sein.
Er wählt ein neues Studium
und schult zum Geologen um.

Der Fährmann

Es greift der Tod mit kalten Händen,
nach einem Herzen, jung und rein,
kommt zarten Atem jäh beenden
und lässt es kaum ein Leben sein.

Wie wahllos und uns kaum verständlich
so folgt er seiner Henkerpflicht,
zeigt grausam, wir sind nicht unendlich,
löscht kalt des Lebens Flackerlicht.

Mal naht er schnell, mal erst nach Jahren,
doch ist der Zeitpunkt unbestimmt,
wann wir mit ihm als Fährmann fahren
und wann er uns den Herzschlag nimmt.

Greift er schon früh nach einer Seele ,
nach einer viel zu kurzen Zeit,
fragt manche schmerzgeschnürte Kehle
nach Liebe und Gerechtigkeit.

Doch scheinen viele, die verweilen,
trotz Jahren, ohne Daseinssinn,
weil sie durch ihre Tage eilen –
wie blind – und gehen sinnlos hin…

Letzte Bänder

Der fahle Mond nährt sorgsam kahle Zweige
mit seinem nüchtern kalten Spiegellicht,
des Sommers Leuchten geht zur letzten Neige,
wenn kühler Wind die späte Wärme bricht.

Das nasse Blattwerk treibt verspielt im Regen,
von müden Bäumen, die ins Rot sich färben,
ich will mich jetzt noch nicht zur Ruhe legen,
in einer Herbstnacht möchte ich nicht sterben.

Es fällt der weiche Schnee aus Wolkentürmen,
die nackte Erde färbt sich sittsam weiß,
schon bald, inmitten von Dezemberstürmen,
schließt sich auf stillem See ein Hauch von Eis.

Umspielt vom Silberschein der sanften Flocken,
entspringt am Fuß der schwer behängten Weiden,
ein erstes zartes Grün von Osterglocken,
im Winterschlaf der Welt will ich nicht scheiden.

Im März verzaubern fröhlich neue Triebe,
die Welt mit ihrem bunten Farbenspiel,
in Knospen lockt ein Glaube an die Liebe,
die jüngst dem harten Frost zum Opfer fiel.

Ein Hoffnungsfunke spricht aus jungen Blüten,
wenn sie, sich öffnend, in den Sommer weisen,
mein Herz geht auf in diesem satten Brüten,
im Frühling möchte ich nicht heimwärts reisen.

Hell strahlt das Licht aus üppig gelben Feldern,
sein Zauber füllt die Welt mit praller Lust,
ein tiefer Tannenduft aus grünen Wäldern
erfüllt mit Kraft und Hoffnung meine Brust.

Erst wenn zuletzt die schönen Tage weichen,
und wir von fern des Malers Leinwand sehen,
wenn Herbst und Sommer sich die Hände reichen,
bin ich bereit, den letzten Weg zu gehen.

Doch kommt das Ende nicht nach dem Kalender,
auch weiß er nicht, wann Du berufen bist.
Drum leb ich so, dass meine letzten Bänder
sich lösen, wenn in mir ein Sommer ist…

Die Zeit

Die Zeit zu fassen, wird dem Geist wohl stets misslingen,
uns ist sie Äther im, und Band zum Jetzt und Hier,
sie ist verwoben in uns Menschen und den Dingen,
wie auch das Ding und wir sind fest verknüpft in ihr.

Es misst die Uhr nichts sonst, als nur den Gang von Zeigern
auf einer sturen Reise um ein Ziffernblatt,
doch hilft ihr nicht, auch wenn sie ihr den Dienst verweigern,
dass auch die Uhr ihr Alter und ihr Ende hat.

So sind wir alle in den viel zu knappen Tagen,
wie jedes Wesen in der äußeren Natur,
von gleicher, aber dennoch eig’ner Zeit getragen
und jedes Tun ist wie das Ticken einer Uhr.

Mal fließt die Zeit wie zähe Lava schwerer Stunden,
mal jagt sie wie im Falkenflug beschwingt ins Nichts,
dann dehnen zu Äonen sich uns Schmerzsekunden,
und mancher Tag vergeht im Flackern eines Lichts.

Was wären wir, erlöst von jener letzten Grenze,
wie wär der Wert des Daseins, wenn man ewig lebt?
Wo läg der Sinn des Lebens, ohne jene Gänze,
nach der man angesichts des Neins im Ende strebt?

Ein heller Blitz im Schwarz der Nacht ist unser Leben,
der Bauch der Mutter und die Erde sind sein Schoß,
lebt man die Zeit als Auftrag und Geschenk gegeben,
lässt man im Abschied traurig, aber friedlich los…

Existenz

Verzückt lausch ich in watteweicher Winterweite
dem leisen Klang der weißen Flockenmelodie,
hör, was verspielt aus ihrem grauen Himmel schneite,
auf kalter Erde sich mit nassem Flaum vereinen,
aus Nichts ins Nichts in einer stillen Elegie.

Ich seh entrückt aus tiefen Wolken Flocken stieben,
im Tanz zu einer viel zu kurzen Partitur,
spür wie sie ihre Illusion von Freiheit lieben
bevor sie schwer vom Dunst die letzten Tränen weinen,
und stumm vergehn im Schein vom Zauber der Natur.

Zu lang

Zu lang plagt nagend mich die bange Frage,
sind mir zuletzt noch Tage voller Farben
vergönnt, statt taub und blind dahinzudarben –
und macht, dass ich fast tatenlos verzage.

Mich quält, ob ich nicht nur Gespenster jage,
und dass wohl alle mir bestimmten Gaben,
am Schluss nur einen vagen Nutzen haben,
für den ich mich im Grabesschatten plage.

Will fast dem Bannstrahl dieser Furcht ergeben,
mich ganz der grausam schwarzen Vornacht fügen,
da ruft mit Macht ein lang verkanntes Streben.

Ich lass mich nicht von falscher Angst betrügen,
um das mir eigentlich bestimmte Leben,
straf kühn das Nichts durch meine Taten Lügen.

Jahreszeiten

Der Tag hängt schläfrig in den Flüsterbäumen,
die sich der schwarzen Nacht entgegen wiegen,
ein Säuseln sieht das bunte Herbstlaub fliegen,
in meine letzte Wahrheit, aus den Träumen.

Manch Freuden, die des Frühlings Tage säumen,
sind mir, zu Ross, ins rote Blut gestiegen,
sah ihm die Kraft in schwer umkämpften Siegen,
wie Wollust heiß um Maul und Nüstern schäumen.

Die reife Sonne warm in meinen Venen,
um mich der Duft von gold’nen Weizenähren,
gebaren Angst und Hoffnung mir ein Sehnen,

ein Traum, in dem die Sommer ewig währen,
statt sich bemalt ins kalte Nichts zu dehnen,
zu schneeumflorten, letzten Winterfähren.

Das Ich

Das Ich als archimedisch kleinen Punkt begreifen,
aus dem sich spinnwebartig Herz und Seele speisen,
ist wie im Traum zu fernen Transzendenzen schweifen,
die dann im Akt gebündelt wieder heimwärts weisen,

und kaum gefasst, schon wieder tief ins Nichts entgleiten,
als könne man die Haut der Wahrheit sanft nur streifen,
auf schmalen Grat von Ahnung und Erkenntnis reiten
in immer wieder gleich geformten Endlosschleifen.

Doch will es sich, wie ein Gespenst, nicht greifen lassen,
sich stets dem starken Willen der Vernunft entziehen,
so spürst Du, es ist Punkt und auch zugleich Umfassen,
das Seelen nährt, umarmt, um wieder sie zu fliehen,

als wohnten Herz und Geist in fruchtbaren Gefilden
die nur aus ihm, und in ihm das Bewusstsein bilden.

 

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