Gedichte gegen das Alltagsgrau...

Schlagwort: Gedicht

Akrobatik

So mancher schreibt vom Liebesspiel,
als hätt er keinen blassen Schimmer,
der Reim schon schlecht und mies der Stil,
macht es der Inhalt oft noch schlimmer.

Wie munter wird da fabuliert,
es drängt, es schwillt, es zuckt ekstatisch,
doch statisch kritisch reflektiert,
dünkt manches komisch akrobatisch.

Das was da schlängelt, züngelt, stöhnt,
kann selbst den Traurigsten erheitern,
denn wer sich meistens selbst verwöhnt,
muss bei der Paar-Erotik scheitern.

Dichters Gardinenpredigt

Ich sollte schweigen, jedoch möchte ich betonen,
bei aller Ehrfurcht vor der eitlen Künstlerschar,
dass sich nicht alle scheinbar schönen Reime lohnen,
wenn dir dein Rhythmus einen schiefen Klang gebar.

Nun kannst Du meckern, fluchen, lauthals lamentieren,
die Kunst sei frei, und jeder Künstler schöpfernah,
im Dreieck springen, flehen, hadern, explodieren,
weil ich dein Werk aus guten Gründen kritisch sah.

Glaubst Du, der Schöpfer hätte diese eine Erde,
mal eben hingerotzt, so wie Du dein Gedicht –
auf das sie provisorisch halbwegs fertig werde,

im Funzelschein, statt hell im warmen Sonnenlicht –
und hätt auf eine dies bezügliche Beschwerde,
geheult, so schlecht sei doch das Kunstwerk nicht?

Ich glaube kaum, er wäre so extrem vermessen,
sich selbst zu loben, wenn sein Werk ein Fehlschlag wär,
vermutlich ist er nicht auf falsches Lob versessen,
benähm sich nicht so fachlich stur und voll konträr.

Jetzt gib dir einen Ruck, hör endlich auf zu schmollen,
dass Kunst von Können kommt, ist wirklich keine Mär,
nicht oft liegt’s am Talent, weit häufiger am Wollen,
wohl deshalb quält der Durchschnitt höchst inflationär.

Doch ist es mit der Welt, wie wohl auch den Gedichten,
rein vom Prinzip sind Erde und auch Lyrik toll,
nicht Gott, der Mensch, vermag das Schöne zu vernichten,

drum schweig und schau nicht weiter derart vorwurfsvoll.
Hör endlich auf dich nach der Masse auszurichten,
wenn dein Gedicht ein Wunder und kein Mist sein soll.

Gedichte

Gedichte taugen nicht zur Bibel,
sind weder Epos noch Traktat,
zu kurz selbst für die dünnste Fibel,
sind sie Gedankenkonzentrat.

Gedichte haben es nicht eilig,
obwohl meist knapp in der Diktion,
sie wirken eher zwischenzeilig
und schlagen einen Herzenston.

Ihr Wert ist niemals nur phonetisch,
erschöpft sich nicht im schönen Klang,
aus ihnen klingt die Welt poetisch
in tief gefühltem Sprachgesang.

Gedichte huldigen dem Leben,
sie rufen auf und schenken Halt,
vermögen Trost und Mut zu geben,
und trotzen lyrisch der Gewalt.

Gedichte können Wege zeigen
aus einem Sein, das sinnlos scheint,
ihr Kraftquell ist beredtes Schweigen,
sie spenden Freude, wo man weint.

Reime, Reime, Reime

Ich seh Reime, wenn ich schlafe,
zähl im Traum sie statt der Schafe,
lese sie auf der Toilette,
auf dem Knie in der Gazette.

Reime Verse und Konsorten
wachsen, sprießen allerorten,
selbst in meiner Unterhose
sitzen sie in der Phimose.

Auch in Hämorrhoidenfalten
scheinen sie sich festzuhalten,
und im Duft von Achselschweiß
wohnt ein Reim, wie ich wohl weiß.

In der Wohnung von Regalen
hört man freche Reime prahlen,
aus den Schränken, von den Bänken,
höhnen Reime, mich zu kränken.

In der Wanne, in der Brause,
fühlen Reime sich zu Hause,
springen aus der Blumenvase
ins Gesicht mir auf die Nase.

Sitzen breit auf meinen Stühlen,
treiben tot im Bier, dem kühlen,
liegen auf dem Abendbrot,
doch nicht ganz so mausetot.

Ich seh Reime in den Bäumen,
hör sie in der Brandung schäumen,
riech den Reim in Blüten wohnen,
seh ihn auf den Bergen thronen.

Reime treiben in den Flüssen,
schütten sich aus Regengüssen,
scheinen mich zu allen Zeiten
durch die Jahre zu begleiten.

Reime duften aus den Tannen,
wiegen sich mit gelben Grannen,
sind, gleich einer Pilzkultur,
eine Plage der Natur.

Reime knattern aus Traktoren,
jucken Schweinen in den Ohren.
Mit der Katze um die Scheunen
scheinen leise sie zu streunen.

Bauers Wachhund bei den Ställen
scheint den Reim herauszubellen.
Auf den Weiden allenthalben,
seh ich Rinder Reime kalben,

Kuh macht Muh und Kühe Mühe,
weckt der Reim mich in der Frühe,
lang bevor er in der Nacht,
statt des Schafs, mich müde macht.

Reime schwitzen aus den Stirnen,
treiben Scherze in den Hirnen,
jagen Strom durch Nervenbahnen
knistern in Geschlechtsorganen,

machen Männer aus Proleten,
zu beseelten Herzpoeten,
die die Welt, statt blind zu gehen,
wie mit neuen Augen sehen,

und die Frau, trotz ihrer Makel
wortreich preisen, welch Debakel,
weil aufs Weib, welch Hinterlist,
gar kein Reim zu machen ist.

Plagiat!

Mancher mimt den Morgenstern
und schafft ein Plagiat,
zwar hat er schöne Reime gern,
doch schreibt er desolat.

Ein andrer raubt dem Ringelnatz,
sein Lyrikpotential,
denn jeder selbst gemachte Satz
klingt windschief und banal.

Wer Goethe, Benn und Busch bestiehlt
auf dass er höher steh‘,
mit Jandl, Roth und Rilke spielt,
für schnödes Renommee,

der ist bei allem Augenschein,
von hoher Reimerei
ein Künstlernichts und hundsgemein,
ob dieser Ferkelei.

Via Dolorosa

Ein Reim ist meistens nicht so schwer
zu finden, denn er springt ins Ohr,
doch mancher plagt sich sichtlich sehr,
mit all den Worten kurz davor.

Man reimt drauf los, ganz ohne Zaudern,
damit man nicht gefressen wird,
und lässt im Grab Herrn Duden schaudern
der schmerzverzerrt im Grab rotiert.

Drum wähle mancher lieber Prosa,
wenn er zu schlechte Verse schreibt,
weil Deutsch als Via Dolorosa
den Leser in den Wahnsinn treibt…

Die Schreibblockade

Traurig aus dem Fenster schauend,
sitzt ein Dichter Bleistift kauend,
und sucht den reinem Reim auf “reich”,
doch dabei wird sein Bleistift weich.

Darauf schafft sich der arme Mann
ne neue Schreibmaschine an,
und hofft umsonst, das Schreibgerät
schafft neue Kreativität.

Jetzt sitzt er wieder traurig schauend,
doch nunmehr an den Nägeln kauend,
und plant (zwecks Schreibblockadenkur)
Computerkauf (nebst Tastatur)…

Ohne Meinung

Der erste Reim ist nicht romantisch,
erzählt auch nicht vom Liebesspiel,
er dreht syntaktisch und semantisch
sich nicht ums Herz im Dichterstil.

Der zweite Vers ist nicht politisch,
greift keinen Missstand klagend an,
im Inhalt überhaupt nicht kritisch,
schließt er so zahm, wie er begann.

Der Winter fehlt in diesen Zeilen,
der Herbst wird gänzlich ignoriert,
der Lenz soll keine Schwermut heilen,
der Sommer wird nicht diskutiert.

Sogar der Tod wird ausgelassen
ganz konsequent in Strophe vier.
Geburt und Leben lyrisch fassen,
dafür steht dies Gedicht nicht hier.

Auch Engel, Teufel und Konsorten,
die Hölle und das Himmelstor,
sie bleiben in des Dichters Worten,
aus guten Gründen außen vor.

Und fragt der Leser sich im Stillen,
wozu dies Werk, worin der Sinn,
des Reimens um des Reimes Willen,
dann weil ich ohne Meinung bin.

© 2024 Terrabella

Theme von Anders NorénHoch ↑