Gedichte gegen das Alltagsgrau...

Monat: Dezember 2009

Herr Müller und der Baum

Herr Müller sucht zum Weihnachtsfest
den tollsten Baum der Stadt,
weil Nachbar Schmidt, was ihn sehr stresst,
wohl sonst den größten hat.

Von einem Baum, hoch wie ein Mast,
hat der zuletzt erzählt,
was unsern Müller ohne Rast,
mit Neid und Missgunst quält.

Herr Müller zieht die Handschuh an,
bemützt sein kahles Haupt,
und rast und friert und sucht sodann,
bis er sich fündig glaubt.

Der Baum scheint groß und wohlgestalt
Zwei Meter misst das Stück,
er scheint ihm etwas hoch bezahlt,
doch wähnt er sich im Glück,

Er schultert seinen Weihnachtsfund,
und schleppt ihn heim nach Haus,
er scheuert sich die Finger wund,
doch macht ihm das nichts aus.

Er spürt den Strom, der hochfrequent
durch seinen Rücken rast,
weil ihm der Ischias schmerzvoll brennt
ob der zu großen Last.

Herr Müller robbt im Schneegebraus,
das Antlitz schmerzverzerrt
mit seinem Riesenbaum nach Haus,
den er so heiß begehrt.

Schon festlich ist der Tisch parat
mit Omas Porzellan,
und Müller stolz wie ein Soldat,
hebt seine Tanne an.

Er spürt in sich ein tiefes Glück
und siegerlächelt stolz,
dagegen taugt des Nachbars Stück
wohl nur zum Feuerholz.

Der Baum, er prangt und wird geschmückt,
er freut sich wie ein Kind,
ist ob der Kerzen hochbeglückt,
weil es nur echte sind.

Herr Müller, der den Baum erklimmt,
er gibt sich akkurat,
damit der Strohstern oben stimmt,
den er in Händen hat.

Sein Sohn, mit Schokoweihnachtsmann
kommt in den Raum hinein,
stößt aus Versehn die Leiter an,
wir hören Müller schrein.

Herr Müller brüllt und zappelt wild
greift nach der Zimmerleucht‘,
sein Fuß zerstört den Hirsch im Bild,
als er laut panisch keucht…

Wie immer kommt ein zweites dann
zum ersten Ungemach,
der Dübel der nicht halten kann,
bricht aus dem Putz mit Krach.

Voll auf den Tisch – der Müller stürzt
zudem fällt auch der Baum,
der Braten, raffiniert gewürzt,
er segelt durch den Raum.

Der Baum zerbirst im Flammenstich,
schon schmilzt der Weihnachtsmann,
die Kerzen zünden weihnachtlich
die Tüllgardinen an.

Das Zimmer strahlt im hellen Schein,
die ganze Bude brennt,
worauf der Müller nicht allein
raus auf die Straße rennt.

Am Ende geht die Feuerwehr,
das Haus qualmt imposant,
Herr Müller heult, die Gattin mehr,
der Nachbar kommt gerannt.

„Was für ein Pech zum Krippenfest,
wir laden euch gern ein,
zu unserm Weihnachtsbratenrest
und einem Gläschen Wein.“

Der Müller ist nur leicht verletzt
und folgt ihm in sein Haus,
auch Frau und Kind, noch schwer entsetzt,
sehn mitgenommen aus.

Ach wie Müller da erschrickt,
als er zur Stube geht
und dort des Nachbarn Baum erblickt,
der auf dem Tischlein steht.

Kaum einen Meter misst der Baum,
Herr Müller wird ganz bleich.
Er ringt nach Luft und glaubt es kaum,
sein Kniegelenk wird weich.

Bedenke: wer nach andern schielt,
jagt oft nur schönen Schein,
denn das, worauf er neidisch zielt
kann auch ein Unglück sein.

Erotische Gedichte

So schwer ist’s ein erotisches Gedicht zu schreiben,
zu schmal der Grat, auf dem der Dichter sich bewegt,
schreibt man es dreist, als würden es die Tiere treiben,
hat man den Mob zwar schnell von leichter Hand erregt,

den Connaisseur jedoch mit Deftigkeit vertrieben,
auch die Pudeurs der dichterischen Hautevolee
verletzt, doch lässt man eher blümchenmäßig lieben,
schläft mancher Leser schnarchend auf dem Kanapee.

Ob schmutzig derb, im Tenor wild und lüstern zotig,
ob metaphorisch zart und sprachlich subkutan,
der eine meckert über viel zu viel Erotik,
dem andern klingt es lahm und lustfrei filigran.

So ist’s beim Porno-Schreiben wie im wahren Leben,
beim Sex kennt jeder seine eigne Art von Heil,
Du kannst nicht allen gleiche Stimulanzien geben,
ein scharfes Werk macht immer nur die Hälfte geil.

Weihnachtswunder

Verwirrt durchtaumle ich die die vollen Gassen,
fast blind vom Prunk, der unerträglich ist,
und seh in lemmingleichen Menschenmassen
den Lindwurm, dessen Maul sein Schwanzstück frisst.

Ich schau entsetzt in leere Teiggesichter.
Sie wanken wachsweich starr und fischweis stumm
im Fadenschein und Trug der harten Lichter,
das Antlitz lobotomisch glatt, herum.

Doch an den Händen nährt ein frohes Hoffen
ein Lachen, das dies Blendwerk überstrahlt.
Den Kindern steht das Weihnachtswunder offen,
für das man als Erwachsener bezahlt.

Segel

Die Schönheit schwindet. In dir schreibt
der alte Glanz vergangner Tage
ein Buch, das dich ins Gestern treibt,
auch wenn die große Lebenswaage,
sich langsam schon zum Ende neigt
und dir die letzte Grenze zeigt.

Die Jugend flieht, der Zahn der Zeit
nagt hart an deinem bisschen Leben,
die Haut wird welk, die Hüften breit,
dein Körper stirbt, und hat dein Streben
nicht für das große Glück gereicht,
sind letzte Riten niemals leicht.

Der Herbst naht schnell, und was nicht heilt,
hast Du es nicht beizeit gerichtet,
wird nicht mehr ganz, wie man auch eilt,
weil dich der Tod zu bald vernichtet,
bevor Du dich vollendet meinst,
auch wenn Du bittre Tränen weinst.

Das Alter plagt, doch kann auch reich
gelebt sein, folgst Du seinen Regeln.
Die Welt vor deinem Zapfenstreich
genieße unter vollen Segeln,
damit Du dich von Angst befreist
und mutig in das Dunkel reist.

Möbiusschleifen

Ich reiße die Zeit
in hauchfeine Streifen,
verziere dein Kleid
mit schneeweißen Schleifen.

Ich krümme den Raum
und forme ein Kissen
aus luftigem Flaum,
um dich drauf zu küssen.

Ich reiße dein Kleid
in hauchfeine Streifen,
verflechte die Zeit.
zu Möbiusschleifen.

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