Gedichte gegen das Alltagsgrau...

Schlagwort: Sterben

Ziellos

Was Du kannst, das willst Du nicht,
was Du willst, das kannst Du nicht.
Was Du musst, soll ganz allein
Inhalt Deines Lebens sein.

Was Du suchst, das kriegst Du nicht,
was Du kriegst, das suchst Du nicht.
All die Dinge, die Du hast,
sind statt Freude, Dir nur Last.

Was Du liebst, das mag Dich nicht,
was Dich mag, das liebst Du nicht,
bis Du Dir ganz sicher bist,
dass Dein Glück unmöglich ist.

Sterben willst Du jetzt noch nicht,
Leben kannst Du scheinbar nicht.
Ziellos fährt Dein Lebensboot,
denn des Käptns Herz ist tot.

Letzte Maniküre

Gelebtes Leben adelt deine Züge,
dein Schicksal hat sich in sie eingekerbt,
zuviel misslang, so manche schwere Lebenslüge
hat mit den Wettern deine fahle Haut gegerbt.

Du wirkst so stolz, doch auch ein wenig müde
und strahlst noch Kraft aus, die nun bald verebbt,
hast weder Zeit noch Sinn für leere Attitüde,
für dich ist dies ein lang verworfenes Konzept.

Dein sanfter Blick durchwärmt des Tages Kühle,
dein mildes Lächeln trotzt dem Zug der Zeit,
dein weißer Arm wiegt schwer am Nabel der Kanüle,
Du wirkst zufrieden und zum letzten Weg bereit.

Die Schwester naht, sie weist mir stumm die Türe.
Du kannst gewiss sein, ich bleib stets bei dir,
doch allzu bald, nach ihrer letzten Maniküre,
bezieht der Tod dein Bett, und Du bist nicht mehr hier.

was man denkt…

Ist es nicht ungerecht,
letztlich sterben zu müssen,
als sei uns das Leben geliehen,
statt vom gnädigen Himmel geschenkt?

Ist es ausschließlich schlecht,
um das Ende zu wissen,
sich immer darauf zu beziehen,
gleich wohin man die Schritte auch lenkt?

Sind dem Tod wir ein Knecht,
aus dem Dasein gerissen,
geprellt um den Lohn unsrer Mühen,
wenn das Blatt seiner Sense uns henkt?

Sind die Träume nur echt,
unser Leben ein Kissen,
mit Nadeln gespickt, deren Glühen
uns quält, bis der Vorhang sich senkt?

Kommt drauf an, was man denkt…

Ende eines Lebemannnes

Ich sah in den Spiegel, fast kindlich erstaunt,
das Alter wog schwer in jetzt müderen Zügen,
in mir eine Stimme hat leise geraunt,
Du konntest die Frau, doch den Tod nicht betrügen.

Ich nahm ihre Herzen, sie hielten mich jung,
mein Preis für die Jugend, ein Raubbau an Kräften,
erst Sehnsucht… dann Leere… Verbitterung,
bei langsam versiegenden männlichen Säften.

Mein Antlitz entzaubert, ich zählte sie stumm,
die Schneisen und Furchen, die Priele und Falten,
in meinem Gesicht und ich fragte warum
gelang es mir nicht, deine Liebe zu halten.

Ich floh durch mein Leben, des Ende bald naht,
ich stählte mein Ego und stahl von den Frauen,
doch hätt‘ ich nur einmal mein Sehnen bejaht,
ich müsste nicht wütend den Spiegel zerhauen.

So steh ich in Splittern, entgeistert, verwirrt,
erkenne mich selbst in zerborstenen Scherben,
vom Teufel gehetzt durch mein Leben geirrt,
von Lüsten entstellt, muss ich einsam nun sterben.

Segel

Die Schönheit schwindet. In dir schreibt
der alte Glanz vergangner Tage
ein Buch, das dich ins Gestern treibt,
auch wenn die große Lebenswaage,
sich langsam schon zum Ende neigt
und dir die letzte Grenze zeigt.

Die Jugend flieht, der Zahn der Zeit
nagt hart an deinem bisschen Leben,
die Haut wird welk, die Hüften breit,
dein Körper stirbt, und hat dein Streben
nicht für das große Glück gereicht,
sind letzte Riten niemals leicht.

Der Herbst naht schnell, und was nicht heilt,
hast Du es nicht beizeit gerichtet,
wird nicht mehr ganz, wie man auch eilt,
weil dich der Tod zu bald vernichtet,
bevor Du dich vollendet meinst,
auch wenn Du bittre Tränen weinst.

Das Alter plagt, doch kann auch reich
gelebt sein, folgst Du seinen Regeln.
Die Welt vor deinem Zapfenstreich
genieße unter vollen Segeln,
damit Du dich von Angst befreist
und mutig in das Dunkel reist.

Jahresringe

Im Wesen ein Baum,
gezeichnet von Jahresringen
mir unter den Augen,
hängt schwer in den Ästen
mein herbstwelkes Laub.

Gefangen im Traum
such ich nach den wahren Dingen,
die mir jetzt noch taugen,
geplagt von Gebresten,
erblindet und taub.

Der Tod naht zum Raub
labt sich an den Resten
ich lasse ihn saugen,
und gleite auf Adlerschwingen
still über den Saum.

Feldpost

Die letzte Kugel war verschossen,
der Abend lag im Pulverdampf,
am Tag war Blut genug geflossen,
das Fußvolk ruhte nach dem Kampf.

Erschöpft lagst Du auf deiner Liege,
voll Hoffnung auf den Feldpostbrief,
der dir erzählte von der Wiege,
in der ein neues Leben schlief.

Doch als er kam, hast Du geschlafen,
man legte ihn dir auf den Bauch,
dort lag er wie in einem Hafen,
bis in den ersten Morgenhauch.

Du weintest ob der frohen Kunde,
die Du geahnt, doch nicht gewusst,
und drücktest in der frühen Stunde,
die Post ganz fest an deine Brust.

Da fiel der erste Schuss am Morgen,
ging durch den Brief dir tief ins Herz,
der Krieg will selten Stunden borgen,
er schert sich nicht um Glück und Schmerz.

Ein kleines Stück aus jenem Schreiben,
drang mit der Kugel in dein Ich,
als wollt‘ es dir im Herzen bleiben,
und darauf stand: „Wir lieben dich…“

Späte Reue

Frustriert und meine Altersängste hegend,
seh ich die Zukunft schwarz am Firmament,
die Stirn in sorgenvolle Falten legend,
fühl ich mich sonderbar ambivalent.

Durchs Brennglas schau ich auf vertane Tage,
die früher Grundstoff für die Zukunft sind,
der ich verächtlich meinen Dienst versage,
weil ich den Ausblick so ernüchternd find.

So hock ich hier und grüße schmerzvoll jenen,
der ich vor Jahren hab zu sein versäumt,
will mich zurück in alte Zeiten sehnen,
in denen sich mein Schicksal anders träumt.

Ach Scheiße, wenn man in der Jugend wüsste
aus welchem Samen welche Frucht entspringt,
dann sparte man die Hatz auf schnelle Lüste,
weil die im Alter selten Wohlstand bringt.

Doch frag ich mich, als meines Glücks Stratege:
Was bringt dem Menschen früher Lustverzicht?
Fürs schöner Sterben fehlen die Belege;
sogleich erscheint mein Tun in neuem Licht.

In jungen Jahren heißt das Leben Fliegen
doch ist es oft ein ungedeckter Scheck,
lässt man sich allerdings von Furcht verbiegen,
ist für den Reichtum alle Freude weg.

Der Fährmann

Es greift der Tod mit kalten Händen,
nach einem Herzen, jung und rein,
kommt zarten Atem jäh beenden
und lässt es kaum ein Leben sein.

Wie wahllos und uns kaum verständlich
so folgt er seiner Henkerpflicht,
zeigt grausam, wir sind nicht unendlich,
löscht kalt des Lebens Flackerlicht.

Mal naht er schnell, mal erst nach Jahren,
doch ist der Zeitpunkt unbestimmt,
wann wir mit ihm als Fährmann fahren
und wann er uns den Herzschlag nimmt.

Greift er schon früh nach einer Seele ,
nach einer viel zu kurzen Zeit,
fragt manche schmerzgeschnürte Kehle
nach Liebe und Gerechtigkeit.

Doch scheinen viele, die verweilen,
trotz Jahren, ohne Daseinssinn,
weil sie durch ihre Tage eilen –
wie blind – und gehen sinnlos hin…

Letzte Bänder

Der fahle Mond nährt sorgsam kahle Zweige
mit seinem nüchtern kalten Spiegellicht,
des Sommers Leuchten geht zur letzten Neige,
wenn kühler Wind die späte Wärme bricht.

Das nasse Blattwerk treibt verspielt im Regen,
von müden Bäumen, die ins Rot sich färben,
ich will mich jetzt noch nicht zur Ruhe legen,
in einer Herbstnacht möchte ich nicht sterben.

Es fällt der weiche Schnee aus Wolkentürmen,
die nackte Erde färbt sich sittsam weiß,
schon bald, inmitten von Dezemberstürmen,
schließt sich auf stillem See ein Hauch von Eis.

Umspielt vom Silberschein der sanften Flocken,
entspringt am Fuß der schwer behängten Weiden,
ein erstes zartes Grün von Osterglocken,
im Winterschlaf der Welt will ich nicht scheiden.

Im März verzaubern fröhlich neue Triebe,
die Welt mit ihrem bunten Farbenspiel,
in Knospen lockt ein Glaube an die Liebe,
die jüngst dem harten Frost zum Opfer fiel.

Ein Hoffnungsfunke spricht aus jungen Blüten,
wenn sie, sich öffnend, in den Sommer weisen,
mein Herz geht auf in diesem satten Brüten,
im Frühling möchte ich nicht heimwärts reisen.

Hell strahlt das Licht aus üppig gelben Feldern,
sein Zauber füllt die Welt mit praller Lust,
ein tiefer Tannenduft aus grünen Wäldern
erfüllt mit Kraft und Hoffnung meine Brust.

Erst wenn zuletzt die schönen Tage weichen,
und wir von fern des Malers Leinwand sehen,
wenn Herbst und Sommer sich die Hände reichen,
bin ich bereit, den letzten Weg zu gehen.

Doch kommt das Ende nicht nach dem Kalender,
auch weiß er nicht, wann Du berufen bist.
Drum leb ich so, dass meine letzten Bänder
sich lösen, wenn in mir ein Sommer ist…

Existenz

Verzückt lausch ich in watteweicher Winterweite
dem leisen Klang der weißen Flockenmelodie,
hör, was verspielt aus ihrem grauen Himmel schneite,
auf kalter Erde sich mit nassem Flaum vereinen,
aus Nichts ins Nichts in einer stillen Elegie.

Ich seh entrückt aus tiefen Wolken Flocken stieben,
im Tanz zu einer viel zu kurzen Partitur,
spür wie sie ihre Illusion von Freiheit lieben
bevor sie schwer vom Dunst die letzten Tränen weinen,
und stumm vergehn im Schein vom Zauber der Natur.

Jahreszeiten

Der Tag hängt schläfrig in den Flüsterbäumen,
die sich der schwarzen Nacht entgegen wiegen,
ein Säuseln sieht das bunte Herbstlaub fliegen,
in meine letzte Wahrheit, aus den Träumen.

Manch Freuden, die des Frühlings Tage säumen,
sind mir, zu Ross, ins rote Blut gestiegen,
sah ihm die Kraft in schwer umkämpften Siegen,
wie Wollust heiß um Maul und Nüstern schäumen.

Die reife Sonne warm in meinen Venen,
um mich der Duft von gold’nen Weizenähren,
gebaren Angst und Hoffnung mir ein Sehnen,

ein Traum, in dem die Sommer ewig währen,
statt sich bemalt ins kalte Nichts zu dehnen,
zu schneeumflorten, letzten Winterfähren.

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